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sind. Und zum anderen müssen wir jene weiterentwickeln, die ihm
förderlich sind. Dazu gehören, wie wir bereits gesehen haben, Liebe,
Geduld, Toleranz, Vergebung, Demut und so weiter. Gehemmt wird das
Mitgefühl durch jenen Mangel an innerer Beschränkung, den wir als
Ursache allen unethischen Verhaltens ausgemacht haben. Meiner Ansicht
nach erreicht man dieses Ziel am besten, indem man seine Gewohnheiten
und Motive verändert. Auf diese Weise vervollkommnet man seinen
»Gesamtzustand von Herz und Geist«  die Grundlage, aus der jede
Handlung erwächst.
Da wir sahen, daß die geistigen Qualitäten, die dem Mitgefühl förderlich
sind, ein positives ethisches Verhalten mit sich bringen, gilt es als erstes,
innere Selbstbeschränkung zu entwickeln und beizubehalten. Ich streite
nicht ab, daß das ein größeres Unterfangen ist, aber wenigstens sind wir im
Prinzip damit vertraut. Da wir zum Beispiel um die zerstörerische Wirkung
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des Drogenmißbrauchs wissen, halten wir uns selbst und unsere Kinder
davon ab. Man muß allerdings begreifen, daß es nicht einfach ausreicht,
negative Gedanken und Gefühle
zu unterdrücken, wenn man seine Reaktionen darauf bewußt einschränken
will. Der entscheidende Punkt ist vielmehr der, daß wir in der Lage sind,
ihre zerstörerische Natur deutlich zu erkennen. Wenn uns nur gesagt wird,
daß Eifersucht  ein potentiell sehr starkes und destruktives Gefühl 
schlecht ist, dann sind wir noch lange nicht wirkungsvoll dagegen
gewappnet. Wir müssen unseren Geist und unsere Gefühle dahingehend
überprüfen, daß wir erkennen, woher die negativen Gefühle kommen,
damit wir ihre Wechselwirkungen wirklich begreifen können. Wenn wir
unser Leben äußerlich zwar in den Griff bekommen, die innere Dimension
aber vernachlässigen, dann werden sich unweigerlich Zweifel, Ängste und
andere leidvolle Erfahrungen ausbilden, und das Glücksgefühl wird uns
verlassen. Das liegt daran, daß eine wahre innere oder geistige Disziplin im
Gegensatz zur körperlichen nicht erzwungen, sondern nur durch
freiwilligen und bewußten Einsatz erreicht werden kann. Anders gesagt:
Wenn wir uns ethisch verhalten wollen, dann gehört dazu mehr, als
lediglich Gesetze und Vorschriften zu befolgen.
Der undisziplinierte Geist ist wie ein Elefant. Wenn man ihn
unkontrolliert herumtollen läßt, wird er Verwüstungen anrichten. Wir
müssen Schaden und Leid ertragen, wenn wir nicht in der Lage sind, die
negativen Impulse des Geistes zu beschränken, sonst überschreiten diese
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Zerstörungen bei weitem diejenigen, die ein wütender Elefant anrichten
kann. Diese Impulse können nicht nur zur Zerstörung von Dingen führen,
sie können genauso anderen und uns selbst dauerhaften Schmerz bereiten.
Damit will ich nicht sagen, daß der Geist (lo) bereits von seiner Anlage her
zerstörerisch ist. Wenn er unter dem Einfluß eines starken negativen
Gedankens oder Gefühls steht, dann mag er so wirken, als sei er allein
durch eine einzige Eigenschaft charakterisiert. Wäre aber zum Beispiel Haß
eine unwandelbare Eigenschaft des Bewußtseins, dann müßte das
Bewußtsein immer hassen. Das ist eindeutig nicht der Fall. Es ist wichtig,
zwischen dem Bewußtsein als solchem und den von ihm erlebten
Gedanken und Gefühlen zu unterscheiden.
Ähnlich kann uns manchmal ein intensives Erlebnis überwältigen, aber
wenn wir später darüber nachdenken, läßt es uns kalt. Als ich noch sehr
klein war, hat mich beim Ausklang eines Jahres der Gedanke an das
Monlam Chenmo immer ganz aus dem Häuschen gebracht. Das war das
Große Gebetsfest zu Beginn des tibetischen neuen Jahres. In meiner
Eigenschaft als Dalai Lama kam mir dabei eine wichtige Rolle zu, die darin
bestand, daß ich aus dem Potala-Palast in eine Zimmerflucht im Jokhang-
Tempel umzog, der zu den heiligsten Stätten Tibets gehört. Je näher der
Tag rückte, desto mehr Zeit verbrachte ich mit Tagträumereien, wobei ich
schließlich zwischen Panik und aufgeregter Vorfreude hin- und hergerissen
wurde, was dazu führte, daß ich immer weniger lernte. Die Panik bezog
sich darauf, daß ich während der Hauptzeremonie einen langen Text aus
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dem Kopf rezitieren mußte; die Vorfreude auf die Prozession, bei der ich
durch eine riesige Menge von Pilgern und Händlern getragen werden
würde, die den Marktplatz vor dem Tempelkomplex füllte. Damals waren
sowohl meine überschwengliche Vorfreude als auch mein Widerwille nur
allzu real, doch heute entlockt mir diese Erinnerung nur noch ein
Schmunzeln. Inzwischen habe ich mich an große Menschenmengen
gewöhnt.
Wir können uns die Natur des Geistes mit dem Bild des Wassers in
einem See veranschaulichen. Wird es von einem Sturm aufgewühlt, dann
steigt der Schlamm vom Grund in Wolken auf und trübt es. Doch in
Wirklichkeit ist das Wasser gar nicht trübe. Wenn der Sturm vorüber ist,
dann setzt sich der Schlamm wieder ab, und das Wasser ist klar wie zuvor.
Obwohl wir also meist den Geist oder das Bewußtsein für eine eigene,
unveränderliche Einheit halten, stellen wir bei genauerer Betrachtung fest,
daß er aus einem ganzen Spektrum von Eindrücken und Erfahrungen
besteht. Dazu gehören unsere Sinneswahrnehmungen, die sich direkt mit
Gegenständlichem befassen, aber auch unsere Gedanken und Gefühle, die
durch Sprache und Vorstellungen vermittelt werden. Außerdem ist der
Geist flexibel. Durch gezielte Beeinflussung können wir unser Denken und
unser Gefühlsempfinden verändern. Angst kann zum Beispiel durch Trost
und Beruhigung vertrieben werden. Auf vergleichbare Weise können
depressive Zustände durch Zuneigung und Ratschläge, die den
Blickwinkel erweitern, gelindert werden.
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Aus der Betrachtung heraus, daß Gefühl und Bewußtsein nicht dasselbe
sind, können wir folgern, daß wir uns nicht von Gefühlen steuern lassen
müssen. Vor jeder Handlung muß es ein psychisches oder emotionales [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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